Über das Politische in der Kunst, Konstanze Crüwell

Das Jahrbuch von Schloss Balmoral, 2005

Die Lust an der Kategorie ist bekanntlich weit verbreitet, führt jedoch mitunter zu wenig  sinnvollen  Ergebnissen. So ist Parastou Forouhar auch keineswegs damit einverstanden, wenn ihre Arbeiten als politische Kunst etikettiert werden. Sie arbeite weder dokumentarisch noch mit irgendwelchen didaktischen Absichten, sagt sie, und vor allem zeige sie „keine Illustrationen zum Mangel an political correctness“ in ihrer iranischen Heimat. Und sie verstehe sich auch nicht als  eine Art Botschafterin der islamischen Kultur im Westen,  sondern nur und ganz einfach: als Künstlerin.

Parastou Forouhar ist gleichwohl ein durch und durch politischer Mensch, geprägt von ihrer Herkunft und von ihrem Schicksal: 1991 emigrierte sie nach Deutschland, 1998 wurden ihre Eltern, die Gegner des Regimes waren, in ihrem Haus in Teheran ermordet. Und natürlich verfolgt sie mit ihrem ungewöhnlich wachen Geist und  großer Anteilnahme das Weltgeschehen  und insbesondere die Situation im Iran – und stößt immer wieder auf aktuelle Themen , die sich wie von selbst zum Ausgangspunkt ihrer Kunstwerke entwickeln. Ein oft lange andauernder Prozeß  kommt nun in Gang, verbunden mit dem Sammeln von Material und intensivem Reflektieren. Bis eines Tages die Bilder entstehen, zuerst in ihrem Kopf, um schließlich eine so bestürzende Gestalt anzunehmen wie in „Tausendeintag“. Das ist der Titel einer  Tapete mit Computerzeichnungen von Folterszenen, die sie im Jahr 2003 für ihre Ausstellung in der Nationalgalerie Hamburger Bahnhof in Berlin schuf. 

„Folter ist ein schweres Thema“, sagt die Künstlerin, das langes Nachdenken erfordere, etwa über die Frage, wie sie mit der Ambivalenz zwischen der ästhetischen Qualität und der wahren, schrecklichen  Bedeutung der Bilder umgehen solle oder mit dem Phänomen  Sadomaso.  Einfache Antworten gebe es bei so viel Doppeldeutigkeit nicht.. Sie habe sich damals schließlich überlegt, wie sie „Menschen mit Menschen, Körper mit Körpern“ darstellen könne. Und mit ihren stark schematisierten  Figuren von Opfer und Tätern  bei Folterungen scheint sie den Betrachtern verschiedene Möglichkeiten der Rezeption anzubieten: Eine Distanz wahrende und respektvolle Lösung. Denn aus der Ferne können ihre piktogrammartigen Zeichnungen in „Tausendundeintag , die sich immerfort wiederholen –  vor zwei Jahren waren sie auf einer  35 Meter langen Wand im Hamburger Bahnhof  zu sehen – die Wirkung eines dekorativen ornamentalen Wandbildes in verhaltenen Farben entfalten. In der Nähe sieht man’s freilich anders. Ganz hintergründig  wird es, wenn man Parastou Forouhars Daumenkino zur Hand nimmt und voller Entsetzen sieht, wie die Folterszenen in Bewegung geraten und plötzlich eine seltsame und bedrohliche Realität gewinnen.. Und den Benutzer des Daumenkinos der ziemlich unangenehmen Wahl aussetzen, ob er sich nun als Voyeur oder  als Mittäter fühlen soll.

Im April 2005 war Parastou Forouhar eine Zeit lang lang in Melbourne, um ihre  Ausstellung im Jüdischen  Museum vorzubereiten, wo sie unter anderem ihre Arbeit „Safari“ installierte, die sie während ihres Aufenthalts als Stipendiatin im Künstlerhaus Schloß Balmoral in Bad Ems geschaffen hatte. „Safari“ ist ein gewaltiger, mehr als zwei Meter hoher prall gefüllter Sack, den sie mit den schönsten persischen Stoffen  in leuchtenden Farben und einer Vielzahl von golddurchwirkten floralen und skripturalen Ornamenten überzogen hat. Es sind Stoffe, die zu den schiitischen Trauerzeremonien  im Gedenken an  Hossein gehören, den jüngsten Enkelsohn des Propheten Mohammed, der 656 ermordet wurde. „Dieser König ohne Armee, begleitet nur von Tränen und Leid, dessen Wunden zahlreicher sind als die Sterne im Himmel, dieser Fisch, versunken in einem Meer von Blut, ist Hossein“ lautet die Inschrift auf einem Stoff  ihrer Arbeit „Trauerzeremonie“. Der Martyrertod von Hossein gilt seit Jahrhunderten als Symbol des iranischen Schicksals. Und damit scheint der Titel „Safari“ nicht auf  eine Abenteuerreise irgendwo in Afrika, sondern eher auf einen langen Weg mit ungewissem Ausgang zu verweisen.

Mit einem anderen hochdekorativen Stoff, der Ornamente und kalligraphische Zeichen in besonders grellen Farben zeigt, hat Parastou Forouhar ganz normale Bürostühle  so überzogen, dass nur die schwarzen Stuhlbeine und die jeweils vier Rollenfüße zu sehen sind: „Trauerarbeit“ nennt sie ihre ebenfalls im Hamburger Bahnhof ausgestellte Installation, die ganz diskret darauf verweist, dass Parastou Forouhar eine zwar außerordentlich ernsthafte Künstlerin, aber zudem mit der wundersamen Gabe des Humors gesegnet ist. Unübersehbar war dies im Frankfurter 1822-Forum, wo sie und Phyllis Kiehl im Jahr 2000 die witzige  Gemeinschaftsarbeit „Closets zeigten.

Sie habe bei ihrer Stoff-Kunst bewußt mit Klischees und einer simplen Rezeption gearbeitet, äußert die Künstlerin. Sehr wichtig sind ihr jedoch,  wie sie einmal schrieb,  „die Schriftzeichen meiner Muttersprache, mit Liebe aneinandergereiht, sie definieren einen Zwischenraum: Sie verwandeln sich in Ornamente, die nur die Erinnerung an die Bedeutung der Worte durchschimmern lassen.“

Dennoch: Immer wieder betont sie, dass sie  die Rolle einer Repräsentantin der persischen Kultur ablehne: Die Rolle der Kunst ist es, um die es ihr geht. Selbstverständlich ist ihr bewusst, dass sie zwischen zwei Kulturen lebt, dass sie mit dieser Situation und ihrer Identität als Emigrantin umgehen, sich auch mit dem Frauenthema auseinandersetzen muß.  Eine Verbindung von Infomation und Kunst strebt sie als Ergebnis einer Reise in den Iran an, zu der sie mit einer Freundin im Juli aufbricht. Videos und Interviews mit Künstlern und Intellektuellen sind geplant, wenn sie auch weiß, dass in einer Diktatur vieles nicht gesagt werden darf. Einfach wird der Aufenthalt sicher nicht, Parastou Forouhar  kennt obrigkeitliche Schikanen und Bedrohungen von früheren Reisen. Auf die Frage, ob sie keine Angst habe, gibt sie eine einfache Antwort: „Die Aufgaben kommen auf einen zu. Und mannchmal hat man keine Wahl, sonst kann man nicht mit sich leben.“
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